2.2.4 Repräsentationen

Eigentlich dürfte sich der Steuerzahler über die Gestaltung des § 4 Abs. 5 Nr. 3 und 4 des EStG freuen, denn darin heißt es:

„Die folgenden Betriebsausgaben dürfen den Gewinn nicht mindern:

 [ … ]

3. Aufwendungen für Einrichtungen des Steuerpflichtigen, soweit sie der Bewirtung, Beherbergung oder Unterhaltung von Personen, die nicht Arbeitnehmer des Steuerpflichtigen sind, dienen (Gästehäuser) und sich außerhalb des Orts eines Betriebs des Steuerpflichtigen befinden;

4. Aufwendungen für Jagd oder Fischerei, für Segeljachten oder Motorjachten sowie für ähnliche Zwecke und für die hiermit zusammenhängenden Bewirtungen.”


Demnach würde das Gemeinwohl nicht durch umfangreiche „Gelage” bei Unternehmen und Unternehmern steuerlich belastet werden, denn vor Einführung dieser Abzugsbeschränkung konnten Unternehmen und Unternehmer nahezu fast alles als Betriebsausgaben geltend machen, was der Repräsentation diente – oder dienlich gemacht wurde.

Da nämlich zwischen Repräsentation und privatem Vorteil nur schwerlich Abgrenzungen möglich waren, sollte mit der Gesetzesänderung eine klare Absage an private Vorteile erteilt werden.

Doch dem aufmerksamen Leser des Steuergesetzes wirft der zweite Satz des § 4 Abs. 5 EStG – ganz am Ende – erklärungsbedürftige Fragen auf – darin lautet es:

„Das Abzugsverbot gilt nicht, soweit die in den Nummern 2 bis 4 bezeichneten Zwecke Gegenstand einer mit Gewinnabsicht ausgeübten Betätigung des Steuerpflichtigen sind.” 

Wie fragwürdig! Eigentlich regelt der § 4 Absatz 4 EStG, dass Betriebsausgaben Aufwendungen sind, die durch den Betrieb veranlasst sind.

Es ist also ein zwingender Zusammenhang zwischen Aufwand und Betrieb notwendig – sonst wäre es ja auch keine betriebliche, sondern private Ausgabe, die wiederum dem § 12 Nr. 1 EStG zuzurechnen wäre.

Die Nichtabzugsfähigkeit der in den Nummern 3 und 4 des Paragrafen 4 Absatz 5 Satz 1 genannten Positionen nunmehr wieder aufzuheben – wenn ein betrieblicher Anlass vorliegt – scheint also mehr als unverständlich.

Der Gesetzgeber regelt einerseits die Abzugsfähigkeit von Betriebsausgaben im § 4 Abs. 4 EStG, schließt in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 und 4 EStG genannten Ausgabepositionen aus, um sie letztendlich im § 4 Abs. 5 Satz 2 EStG wieder zu legitimieren.

2.2.4.1 Repräsentationen mit Absicht von Betrug

Wer kennt die Klischees nicht: Zigarren rauchende Bosse auf den Privatyachten großer Unternehmen und Unternehmer – Champagner und Kaviar zum Dessert. Serviert von Hostessen, die in freizügiger Kleidung den Blick auf sich ziehen und für das Wohl der Gäste sorgen.

Ob in Ibiza, Saint-Tropez oder im mallorquinischen „Port Adriano”: Luxusyachten mit teilweise mehr als 150 Metern Länge – nicht selten auch mit Hubschrauber-Landplatz. Aber nicht nur dort: sie sind verteilt auf der ganzen Welt.

Es ist anzunehmen, dass sich viele dieser Yachten – meist im Ausland versteckt – bewusst im Besitz von Unternehmen und Unternehmern befinden, die dieses mit notwendigen „Förderungen der Geschäftsbeziehungen” begründen.

Wichtige Geschäftspartner und potentielle Kunden aus aller Welt lassen sich von reichen Geschäftsleuten auf die Yachten einfliegen oder einschiffen, um an Bord in traumhafter Atmosphäre „wichtige Geschäfte” zu verabschieden.

Wirklich immer und ausschließlich Geschäfte? Wie ist das in Wirklichkeit zu beweisen? Dienen Annehmlichkeiten nicht eher privater Natur? Wie will man wirklich feststellen, ob es repräsentativ gerechtfertigt ist, Geschäfte auf einer Luxusyacht zu machen – oder in einem firmeneigenen Büro?

In der ganzen Republik sind sie verteilt: Schlossartige Gebäude von Unternehmen und Unternehmern, wo Gäste aus dem In- und Ausland logieren, Annehmlichkeiten genießen und falls möglich, auf die Jagd gehen – Tiere auf Steuerzahlerkosten töten können.

Mag es mit unternehmensgeheimen Anlässen zusammenhängen – welche Rolle spielt jedoch der Swimming-Pool an Deck der Luxusyacht?

Und sind die auf Firmenkosten tätigen Damen tatsächlich nur Hostessen zur Bewirtung, oder gibt es noch andere Leistungen, die geladene Gäste genießen können?

Allein die Zuordnung solcher Aufwendungen als „… Gegenstand einer mit Gewinnabsicht ausgeübten Betätigung des Steuerpflichtigen …” wirft berechtigte Zweifel auf.

Ist ein Missbrauch auszuschließen? Handelt es sich beim § 4 Abs. 5 S. 2 EStG möglicherweise um einen „Bonzen-Paragraf”, der als Relikt unternehmerischer Herrschaft beibehalten wird? „Große Geschäfte bedürfen eines großen Aufwandes”, würde der Volksmund sagen.

Repräsentationen ermöglichen den Unternehmen oder Unternehmern einer Darstellung nach außen. Sie könnten auch als Pendant zu Messeauftritten gesehen werden, denn auch dort präsentieren sich Unternehmen und Unternehmer mit teilweise recht aufwendigen Maßnahmen – der Aufwand hierfür ist als Betriebsausgabe zulässig.

Dabei ist sich in anderen Bereichen die Rechtsprechung doch einig: Sofern eine Aufteilung der Betriebsausgaben in einen privaten und beruflichen Teil möglich erscheint, ist der beruflich ermittelte Anteil als Betriebsausgabe bzw. Werbungskosten abzugsfähig.

Wie will man jedoch den Aufenthalt auf einer Yacht in einen beruflichen und privaten Anteil splitten?

Es hat nichts mit „kommunistischem Sozialneid” zu tun, die Annahme zu vertreten, dass ein Missbrauch solcher Subventionen zulasten des Steuersystems möglich ist. Es kann sich schlichtweg auch um nicht zu überschauende – missbräuchliche – Nutzungen handeln: also Betrug.

Zu diesem Betrug wird anzunehmender Weise eingeladen – Kraft Gesetz. Denn mangels Überprüfbarkeit solcher Aufwendungen „schlummern” in den Geschäftsbüchern von Unternehmen und Unternehmern möglicherweise Millionen oder Milliarden Euro an Aufwendungen, die in Wahrheit wenig mit – steuerlich gerechtfertigten – Repräsentationen gemeinsam haben.

Es sind nicht nur die großen Posten interessant. Grundsätzlich sind alle Aufwendungen, die unmittelbar der Erzielung von Einnahmen dienen, als Betriebsausgabe abzuziehen. Dazu zählen auch solche Repräsentationsaufwendungen, die im überwiegend unternehmerischen Interesse stehen. Was ist nun überwiegend betrieblich bzw. unternehmerisch veranlasst?

Die Abgrenzung zwischen Repräsentation und privater Lebensführung stellt sich – wie bereits erwähnt – als sehr schwierig dar. Repräsentationsaufwendungen sind Aufwendungen, die der Selbstdarstellung dienen; sie können beruflich veranlasst oder zugleich dem privaten Lebensbereich zuzuordnen sein.

Die Entscheidung über eine überwiegend berufliche Veranlassung obliegt der Entscheidungsmacht der Unternehmen und Unternehmer.

So kann die Anschaffung teurer Teppiche für eine repräsentative Selbstdarstellung genauso beruflich veranlasst sein, wie ein teurer Kaffeevollautomat oder eine Luxusledertasche.

Das Risiko einer Entdeckungsmöglichkeit und Aberkennung durch die Finanzbehörden ist allerdings im Bereich der Luxusartikel größer als
z. B. bei Geschenken (vgl. 2.2.3).

Angenommen wird – neben der Möglichkeit – eine hohe Wahrscheinlichkeit des Missbrauchs. Denn zu den Repräsentationsaufwendungen können auch regelmäßige Einkäufe von Haushaltsmitteln und Lebensmitteln (z. B. Getränke, Süßigkeiten, Kaffee) – die trotz privatem Verbrauch der betrieblichen Sphäre zugeordnet werden – gehören.

Eine nachträgliche Kontrolle und mögliche Sanktionierung durch die Finanzbehörden geht ins Leere, da diese beweisen müssen, dass keine berufliche Veranlassung vorlag.

2.2.4.2 Repräsentationen mit Absicht von Korruption

In der Tierwelt sind sie allgegenwärtig: die auffälligen Werbeversuche um den Partner – wie beispielsweise beim Pfau. Hochgeladene Federn in aller Farbenpracht sollen schließlich das Weibchen anlocken.

Großkotzigkeit, Überheblichkeit und Geltungsbedürfnis – um nur einige der im Volksmund gebräuchlichen Begriffe zu nennen – geben immer auch wieder Anlass, „einfach Gestrickte” mit dem Kopf schütteln zu lassen.

Auch Unternehmen und Unternehmer werben um ihre Kunden – ähnlich wie in der Tierwelt. Allerdings ist nicht auszuschließen, dass sie durchaus weniger mit ihren eigenen Fähigkeiten und Leistungen beeindrucken, sondern auch mit anderen Mitteln: Repräsentationen.

Je großzügiger und aufwendiger eine Repräsentation ist, desto eher auch die anzunehmende Wahrscheinlichkeit, positiven Einfluss auf Geschäftspartner auszuüben.

Mag es auch mit der „Sicherung und Förderung von Geschäftsbeziehungen” gerechtfertigt werden – es hat einen bitteren Beigeschmack: Abhängigkeit.

Wer sich einmal im luxuriösen Umfeld bewegt, hofiert und großzügig auf Yachten eingeladen wird, kann schwerlich von sich annehmen, objektiv bei Auftragsvergaben zu sein. Soll Undankbarkeit das Ergebnis persönlich empfangener Vergünstigungen sein?

Während Mitarbeiter von Unternehmen und Unternehmern sich in den Büros um Aufträge bemühen, sind es – meist leitende Angestellte oder Vorstände – die sich auf der Sonnenseite „wälzen”.

Bei Champagner, Kaviar und Co. werden da in der Karibik – weit weg vom deutschen Fiskus – „wichtige Geschäfte” besprochen. So wird es möglicherweise zumindest in den Büchern der Yachtinhaber auftauchen. Keine Rede von geldwertem Vorteil – den Arbeitnehmer regelmäßig versteuern müssten.

Obwohl auch Geschäftspartner, die zu repräsentativen Gelegenheiten eingeladen werden – wie beispielsweise in VIP-Bereiche der Fußballstadien – können den persönlichen Nutzen genießen, müssen einen solchen hingegen nicht versteuern.

Sie können einen solchen Nutzenvorteil auch gar nicht dem „Unternehmen” weitergeben, da es sich in der Regel um persönliche Annehmlichkeiten handelt – ohne Versteuerung eines geldwerten Vorteils.

Aber auch die Weitergabe eines solchen Vorteils an andere ändert nichts daran, dass irgendein anderer diesen genießt.

Eine Gefahr bleibt dennoch: Korruption! Wenn auch in der Öffentlichkeit oft nur durch Prozesse bekannt geworden, zeigt sich Korruption von Geschäftspartnern als ein sehr häufiges Instrumentarium.

Der Katalog der Korruptionsfälle von „Transparency International” (TI) scheint sicher nur die Spitze des Eisberges zu sein.

Geschäftspartner unterliegen nämlich der Gefahr, Annehmlichkeiten von Unternehmen und Unternehmern zu verlieren, wenn sie an diese keinen Auftrag mehr vergeben. Sie haben daher möglicherweise Angst, ihren VIP-Status zu verlieren.

Immerhin kann der Verlust eines Logenplatzes im Fußballstadion, der im Jahr mehrere Tausend Euro kosten kann, insbesondere für „Fußballnarren” nur schwer zu ertragen sein.

Wer möchte nicht auch gerne in der obersten Liga mitspielen? Ganz oben – mit allem Komfort – wer will das alles verlieren?

Um auf solche Vorzüge nicht verzichten zu müssen, besteht daher die Gefahr, dass Entscheidungen so erfolgen, dass man dem Geschäftspartner nicht „wehtut” – wohlmöglich in „Ungnade” fällt.

Und genau hier scheint der Schwachpunkt: Korruptionsmöglichkeit per Gesetz – dies ist zumindest nicht auszuschließen.

In Millionen von Unternehmen arbeiten Menschen – vielleicht sogar geprägt von Vereinsmeierei und Klüngel – die Entscheidungen in der deutschen Wirtschaft treffen müssen.

Und, werden diese Entscheidungen möglicherweise von solchen gesetzlich zulässigen Repräsentationen beeinflusst – und wenn ja – wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit eines solchen Missbrauchs von Repräsentationsaufwendungen?

Das Schienenkartell:

Ein „Schienenkartell” zwischen österreichischen und deutschen Stahlkonzernen soll Medienberichten zufolge Preisabsprachen bei Stahllieferungen für fast alle kommunalen Verkehrsunternehmen in der Bundesrepublik getroffen haben. Das Kartell soll den Stahl zu weitaus höheren Preisen an ihre Kunden verkauft haben, als zum üblichen – günstigeren – Marktpreis.

Im Rahmen dieses Skandals wurden auch regelmäßige Besuche ins Rotlichtmilieu offenkundig. In Oberhausen sollen 25 Teilnehmer des Kartells – und deren Kunden – jahrelang einen Swinger-Club aufgesucht haben – ebenso in Ratingen und Berlin.

Allein 35 Bordellbesuche soll der Geschäftsführer – mit dem Decknamen „Nuttenprinz” – über Firmenkonten abgerechnet haben. Ferner sollen, eigenen Angaben des „Nuttenprinz” zufolge, Mitarbeiter ihre Bordellbesuche mit Kunden ebenfalls als Bewirtungen und Repräsentationen abgerechnet haben – rund 71.000 Euro.

Diese Bordelltreffen – denen regelmäßig umfangreiche Bewirtungen vorausgegangen sein sollen – waren der „Kitt für den Zusammenhalt des illegalen Schienenkartells gewesen”, so ein Insider. „Zu den Teilnehmern der Sex-Orgien, bei denen auch Champagner floss, sollen neben Kartellmitgliedern auch Mitarbeiter kommunaler Betriebe gehört haben.”


Auch die Budapester Sex-Party der ERGO-Versicherung im Jahr 2007 für ihre erfolgreichen Versicherungsvertreter – in Höhe von 83.000 Euro – zeigt, dass dies offensichtlich nur die „… Spitze des Eisberges ist.”

Bei der ERGO-Versicherung soll es in den vergangenen zehn Jahren 500 Fälle von Begünstigungen gegeben haben.

Die ERGO-Versicherung steht offensichtlich nur am Anfang eines Riesen Skandals in der Wirtschaft: Die Versicherungsgesellschaft „Deutscher Herold” und die „Zürich-Versicherungen” stehen bereits als nächste im Verdacht, ihre Mitarbeiter mit Sex-Parties auf Unternehmenskosten „belohnt” zu haben.

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