2.2.3 Geschenke

Zu den betrieblich veranlassten Betriebsausgaben zählen auch Geschenke von Unternehmen und Unternehmer an ihre Geschäftspartner.

Während das Handelsrecht keine Beschränkungen der Höhe nach vorsieht, ist der Abzug im Steuerrecht auf 35 Euro pro beschenkte Person und Jahr begrenzt.

Diese Einschränkung erfolgt durch § 4 Abs. 5 Nr. 1 EStG: „Die folgenden Betriebsausgaben dürfen den Gewinn nicht mindern … 

1. Aufwendungen für Geschenke an Personen, die nicht Arbeitnehmer des Steuerpflichtigen sind. Satz 1 gilt nicht, wenn die Anschaffungs- oder Herstellungskosten der dem Empfänger im Wirtschaftsjahr zugewendeten Gegenstände insgesamt 35 Euro nicht übersteigen.”

Der § 4 Abs. 5 Nr. 1 EStG führt einleitend aus, dass Geschenke den Gewinn des Betriebes nicht mindern dürfen. Im nächsten Satz lässt er sie jedoch wieder zu: bis 35 Euro.

Das Einkommensteuerrecht ermöglicht es also Unternehmen und Unternehmern, Aufwendungen für Geschenke bis 35 Euro als Betriebsausgabe geltend zu machen.

Für die steuerliche Anerkennung reicht es aus, lediglich den Empfänger und den Anlass des Geschenkes zu benennen. Sofern alles unter 35 Euro je beschenkter Person pro Jahr bleibt, können sich Unternehmen und Unternehmer an dieser Steuersubvention zulasten des Steuersystems bereichern.

Solange dies in einem nicht ausufernden Maße geschieht, kann das Finanzamt nur schwerlich einen Gegenbeweis antreten – den wahren Empfänger und Anlass auszumachen.

2.2.3.1 Geschenke mit Absicht von Betrug

Gelangen Geschenke, deren Aufwand sich als Betriebsausgabe in den Geschäftsbüchern von Unternehmen und Unternehmern wiederfinden, tatsächlich auch an die Personen, die auf dem Beleg angegeben wurden?

Wenn der Gesetzgeber hierauf anworten müsste – die Antwort wäre klar: „Wir gehen bei der Inanspruchnahme der Abzugsmöglichkeit davon aus, dass die Angaben des Steuerpflichtigen stimmen.”

Warum sollte auch ein „treuer” Gesetzesbürger falsche Angaben machen? Fast unvorstellbar, oder? Ein Grund mehr hinter die Kulissen der Geschenke aus betrieblichem Anlass zu schauen.

Diese Studie geht davon aus, dass die Möglichkeit eines Missbrauchs dem Grunde nach sehr wohl möglich – und auch sehr wahrscheinlich – ist. Das Ausmaß wird ebenfalls als sehr hoch eingeschätzt.

Die Wahrscheinlichkeit eines provozierten Missbrauchs wird deshalb als hoch eingeschätzt, weil mangels „Entdeckungswahrscheinlichkeit” durch die Finanzbehörden die Richtigkeit der Angaben nach Jahren oft nicht kontrolliert und sanktioniert werden können. Es muss zwangsläufig den Angaben des Steuerpflichtigen Rechnung getragen werden.

Beliebte Geschenke an Dritte können sein: Weine für den eigenen Verzehr, Musik-CDs für die Kinder, Pralinen für unterwegs, Blumen an die Geliebte – nicht zuletzt die Eintrittskarten für ein Konzert mit dem Partner.

Dabei erscheinen diese 35 Euro in dieser Größenordnung nun unwesentlich – aber die Menge macht´s. „Kreativität” kennt schließlich keine Grenzen. Papier ist letztendlich geduldig – die Anzahl potentieller Geschäftspartner schier unendlich.

Dem Grunde nach kann man also von einer Missbrauchsmöglichkeit ausgehen. Gesetze haben schließlich nicht den Anspruch, dass sie auch eingehalten werden. Warum sollte also ein solcher Missbrauch unwahrscheinlich sein?

Anzunehmende Gründe: Privater Konsum zulasten des Unternehmens verbindet zwei positive Aspekte. Neben dem privaten Vermögensvorteil kommt nämlich noch der Vorteil der Gewinnminderung des Unternehmens oder Betriebes hinzu – infolge dessen auch eine geringere Steuerbelastung. 

Ein Fallbeispiel (Einzelunternehmen):

Umsatzsteuer: Bei einem Nettowert von 35 Euro erhält der Unternehmer die hierauf entfallende Umsatzsteuer in Höhe von 6,65 Euro vom Finanzamt erstattet.

Gewerbesteuer: Da der Gewinn des Betriebes um 35 Euro gemindert wird, sinkt die zu zahlende Gewerbesteuer in einer Gemeinde mit dem niedrigsten Hebesatz (Norderfriedrichskoog, 200 %) um 2,46 Euro. In Duisburg – mit einem der höchsten Hebesätze in Deutschland (Hebesatz 490 %) – wären es dann bereits 6,03 Euro.

Einkommensteuer: Durch die Gewinnminderung reduziert sich infolge dessen auch die zu zahlende Einkommensteuer. Sie schwankt – je nach dem zu versteuernden Einkommen (zvE) – zwischen 0 und 11,95 Euro.

Der Geschenke-Beleg kann also hinreichende Folgen für das Steuersystem haben: Neben einer Rückerstattung von 6,65 Euro Umsatzsteuer, vermindert sich zudem die Gewerbesteuereinnahme um bis zu 6,03 Euro.

Zuletzt bedankt sich das Finanzamt – in fester Überzeugung einer ordnungsgemäßen Gesetzesanwendung – mit einer Steuerersparnis bis zu 11,95 Euro. „Macht dann für Duisburg zusammen: 24,63 Euro.”

Nun mag der eine oder andere das Zahlenspiel noch ausweiten – eines ist unübersehbar: es lohnt sich scheinbar. Zwar nicht in einem einzigen Fall – aber wie bereits erwähnt: die Masse macht´s.

Denn, wenn jedes von den in 2011 ermittelten rund 3,6 Millionen klein- und mittelständischen Unternehmen (vgl. 2.2.2.1) in Deutschland sich nur einmal im Jahr einen solchen Vorteil verschaffen würde, reden wir von einer Gewinnminderung von über 100 Millionen Euro. Als Folge dessen auch weniger Gewerbe-, Körperschaft- sowie Einkommensteuern – aber keine Garantie, dass es auf Seiten der Umsatzempfänger zu Gewinnen führt, und damit eine Besteuerung auslöst.

Große Unternehmen gelten in ihrer Region als prädestinierte Steuerzahler. Jedes Jahr bangen daher die Kämmerer der Städte und Gemeinden um die Höhe der Gewerbesteuereinnahmen ihrer ansässigen Unternehmen. Je größer nämlich deren Gewinn, desto mehr Steuereinnahmen erzielen die Städte und Gemeinden.

Die Gefahr eines Missbrauches in Gestalt von Betrug wird allerdings höher eingeschätzt, als die Möglichkeit einer Korruption. Mit einem 35 Euro-Geschenk lässt sich heute zweifelsfrei nicht jeder mehr beeindrucken.

Wenn der Unternehmer sich eine Kiste mit sechs Flaschen Wein für 250 Euro kauft, so hätte er rein theoretisch die Möglichkeit, sechs seiner Geschäftspartner tatsächlich zu beschenken, oder diese nur als Empfänger zu „missbrauchen” – genießt also selber den Wein.

Wer will die Wahrheit später wirklich feststellen? Es bleibt offensichtlich ein wohl gehütetes Geheimnis derer, die den Geschenkebeleg entsprechend der gesetzlichen Vorgaben ausfüllen.

2.2.3.2 Geschenke mit Absicht von Korruption

In den 1980er Jahren schien sich Siemens noch wenig mit dem Thema Korruption zu beschäftigen: „Da kamen vor Weihnachten in den Chefetagen durchaus kistenweise Wein an”, so eine ehemalige Mitarbeiterin von Siemens. Neben „… Sachertorten von Siemens Österreich …” war die Liste der Annehmlichkeiten offenbar lang.

„Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft”, so ein Sprichwort. Im Steuerrecht wird, wie bereits erwähnt, eher von „Festigung der Geschäftsbeziehungen” gesprochen – alles im gesetzlich zulässigen Rahmen. Und genau da liegt die Problematik: wann ist ein Geschenk noch eine Aufmerksamkeit – wann schlägt sie in Korruption um?

Unternehmen und Unternehmern ist zwar eine Freigrenze von 35 Euro je beschenkter Person und Jahr gegeben. Höhere Aufwendungen lassen sich aber gut und gerne als „Repräsentationen” verbuchen (vgl. 2.2.4). Hingegen werden kleine Geschenke bis 35 Euro eher in großen Mengen in andere Unternehmen gestreut.

Mag es also eher unwahrscheinlich sein, dass ein Siemens-Vorstandsmitglied den EADS-Vorstand mit einem Geschenk von 35 Euro beeindrucken kann, so sind Zielgruppen möglicherweise Mitarbeiter in Unternehmen und bei Unternehmern, die sich in geringeren Gehaltsklassen wiederfinden.

Dazu zählen beispielsweise Reinigungskräfte, die auch den Einkauf von Putzmitteln regeln. Kleine Geschenke bis 35 Euro können da schon einen Einfluss auf deren Reinigungsmittel-Einkaufsverhalten ausüben.

Eine Liste solcher Zielgruppen ist groß, bedenkt man, dass ein großer Anteil von Beziehern mittlerer und kleinerer Einkommen die Unternehmen säumen (z. B. Geringverdiener). Sie sind möglicherweise auch empfänglicher für Geschenke – auch für kleine.

Unternehmen, die solche Geschenke verteilen, schaffen anzunehmenderweise erst die Grundlage einer „Entscheidungshilfe” bei Auftragsvergaben – mithin Korruption.

Eigentlich kann die Entgegennahme von Geschenken in Gestalt von materiellen Sachen oder Leistungen nicht im Sinne des empfangenen Unternehmens sein, da diese Geschenke unmittelbar nur an deren Mitarbeiter gehen: persönlich genießen bzw. in ihren privaten Besitz übergehen.

Auch was sich als Werbemaßnahme darstellt, entpuppt sich in Wirklichkeit oft als persönliches Geschenk.

Geschenke müssen nicht zwangsläufig mit einer Korruptionsabsicht in Verbindung stehen, dennoch begünstigen sie stets die natürliche Person – nämlich den Beschenkten. Dieser nimmt dieses Geschenk persönlich mit nach Hause, und ist dadurch bereichert – auf Steuerzahlerkosten.

Die einen sprechen von „Korruption” – andere nennen es „Festigung der Geschäftsbeziehungen” – das Ergebnis ist jedoch stets das gleiche: Vorteil des Empfängers zulasten von Unternehmensgewinnen und Steuern.

Hingegen sind Geschenke und Aufmerksamkeiten, die Arbeitnehmer aus besonderen Anlässen erhalten nur steuerfrei, wenn der Warenwert 40 Euro pro Anlass nicht übersteigt.

Übersteigt der Wert einer Sachzuwendung die Freigrenze von 40 Euro, so ist eine solche Zuwendung in vollem Umfang steuer- und sozialversicherungspflichtig.

Geschenke von Unternehmen und Unternehmern an ihre Mitarbeiter stellen dabei eher einen „Belohnungseffekt” dar – weniger die Gefahr der Bestechung.

Allein die Schaffung einer Korruptionsmöglichkeit – egal ob sie beabsichtigt ist oder sich als solche darstellen kann – wirft allerdings Zweifel an einer solchen gesetzlichen Regelung auf.

Dabei ist die Höhe einer solchen Regelung unwichtig – allein die Möglichkeit zählt. Korruptionsmittel in größeren Dimensionen werden sich ohnehin nicht in den Geschäftsbüchern offen darbieten. Oft sind sie unter dem Posten „Repräsentationen” versteckt (vgl. 2.2.4).

Dazu gehören auch die von Pharma-Unternehmen oft sehr aufwendigen Vortragsveranstaltungen bei Ärzten in Luxushotels. Zwar hat inzwischen auch die Pharma-Industrie sich einem Kodex gegen Korruption unterworfen – aber eher zur Wahrung des Scheins. Korruption wird nämlich dort anders geschrieben: Anwendungsbeobachtungen (AWB).

Ärzte werden mit teilweise fragwürdigen Anwendungsbeobachtungen von Patienten bedacht: „Bis zu 1.000 Euro pro Patient können Ärzte damit verdienen, wenn sie auf Geheiß der pharmazeutischen Industrie Daten zur Therapie mit bestimmten Medikamenten erheben. Es spricht viel dafür, dass Untersuchungen oft nicht der Therapiesicherheit des Arzneimittels dienen, sondern den Umsatz des Unternehmens steigern sollen.”

Zu trennen sind also Geschenke von höherem Wert – also jene, die die 35 Euro-Grenze überschreiten – und die der bis 35 Euro. Aber gerade diese 35 Euro je beschenkter Person und Jahr sind nicht zu unterschätzen.

So kann ein Geschenk von 35 Euro – zum Beispiel bei Kunden von Handelsvertretern – möglicherweise eher Einfluss auf einen Geschäftsabschluss haben, als ein Geschenk an den Einkaufsleiter eines Unternehmens.

Es gibt Unternehmen und Unternehmer, die ihren Mitarbeitern sogar mit Sanktionen drohen, wenn sie ein angestrebtes Umsatzziel nicht erreichen. Denn diese leiden oftmals an der Vorgabe, ihr Umsatzziel erreichen zu müssen.

Damit steht das Verbot des „Schmierens”, um Aufträge zu erhalten, einem vorgegebenen Umsatzziel entgegen.

Spätestens wenn der Mitarbeiter sein Ziel nicht erreicht, bekommt er „Probleme”: eine Degradierung, oder im schlimmsten Fall sogar die Kündigung des Arbeitsplatzes.

Einer Studie der „Transparency International” zufolge ist es daher auffällig, dass viele der großen Korruptionsskandale deutscher Firmen nicht durch interne Ermittlungen ans Tageslicht kamen, sondern durch Hinweise von Banken oder Finanzämtern. Vor allem Branchen wie Pharma, Telekommunikation und Bau seien anfällig für krumme Dinger.

Nicht nur in der freien Wirtschaft ist Korruption noch immer Tagesgeschäft – auch in Behörden. So wurden allein im Jahr 2011 gegen 34 Bundesbeamte Verfahren wegen des Korruptionsverdachts eingeleitet.

Egal wie hoch der Grad einer Beeinflussung durch Geschenke auf Geschäftsbeziehungen sein mag – dem Grunde nach ist eine solche nicht auszuschließen.

Der Zweifel an der Rechtmäßigkeit solcher gesetzlichen Möglichkeiten ist daher auch berechtigt. Um Korruption erfolgreich begegnen zu können – so die Annahme – dürfen Gesetze nicht den Nährboden hierfür bieten.

Ob und inwieweit dieses Gesetz zur Regelung von Geschenken einen Einfluss ausüben kann, ist Gegenstand weiterer Untersuchungen.

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