2.2.2 Bewirtungen

Betrieblich veranlasste Aufwendungen werden grundsätzlich als Betriebsausgaben bezeichnet (§ 4 Abs. 4 EStG) und sind handelsrechtlich zu 100 Prozent abzugsfähig – dies gilt auch für Bewirtungsaufwendungen.

Steuerrechtlich hingegen dürfen Bewirtungsaufwendungen aus betrieblichem Anlass nur zu 70 Prozent der nach „… allgemeiner Verkehrsauffassung als angemessen anzusehenden Kosten …” den Gewinn mindern.

Der Gesetzgeber hat in seiner Begründung dem Umstand Rechnung getragen, dass durch die Bewirtung die Lebensführung der teilnehmenden Personen berührt ist.

Der § 4 wird in Absatz 5 eingeschränkt: „Die folgenden Betriebsausgaben dürfen den Gewinn nicht mindern …  

1. [ … ]

2. „Aufwendungen für die Bewirtung von Personen aus geschäftlichem Anlass, soweit sie 70 Prozent der Aufwendungen übersteigen, die nach der allgemeinen Verkehrsauffassung als angemessen anzusehen und deren Höhe und betriebliche Veranlassung nachgewiesen sind.”

Der Normgeber (Gesetzgeber) schränkt hiermit den Betriebsausgabenabzug also ein.

Bezüglich der hier beispielhaft dargestellten Norm des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 EStG (2010) wird ein dem Grunde nach anerkannter Aufwand als Betriebsausgabe nicht mehr zugelassen, soweit er 70 Prozent der Aufwendungen übersteigt.

Zur generellen Beschränkung der Anzahl von Bewirtungen im Jahr und dessen Höhe wird keine Aussage getroffen, außer, dass sie nach der „allgemeinen Verkehrsauffassung” Anerkennung finden müssen.

2.2.2.1 Bewirtungen mit Absicht von Betrug

Es bedarf sicher keiner weiteren Erörterung, ob Nahrungsaufnahme betrieblicher oder privater Natur ist, denn die Nahrungszufuhr stellt ein Grundbedürfnis des Menschen dar. Speisen – und damit Bewirtungen – können dem Grunde nach nicht geschäftlich bzw. betrieblich veranlasst sein, da ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb nicht dadurch gekennzeichnet ist, dass Mitarbeiter von Unternehmen oder Unternehmer mit deren Geschäftspartnern ihre lebensnotwendigen – und damit privaten – Bedürfnisse befriedigen.

Wenn ein Unternehmer einen Geschäftspartner in ein Restaurant zum Essen einlädt, ist kein betrieblicher Zusammenhang erkennbar, weil sich ein geschäftlicher Anlass dieser Bewirtung nicht automatisch herleiten lässt. Über den wahren Anlass oder Gesprächsinhalt während eines „geschäftlichen” Essens gibt es letztendlich auch kein Protokoll.

Ein Geschäftspartner kann zugleich ein guter Bekannter, Verwandter oder eine sonstige Person sein, mit dem der Unternehmer möglicherweise auch private Gesprächsziele verfolgt. Diese Annahme kann sich dann bestätigen, wenn Unternehmer und Geschäftspartner – neben betrieblichen – auch private Interessen verfolgen (z. B. Hobbys).

Lädt ein Unternehmer einen Geschäftspartner, mit dem er auch privat verkehrt, nach einem gemeinsam besuchten Fußballspiel in ein Restaurant ein, so ist dies bereits der Anlass eines Entscheidungsprozesses, denn der Grad eines betrieblichen Zusammenhanges kann nicht eindeutig von der privaten Lebensführung zu trennen sein. Das Gespräch kann sich inhaltlich auf das Fußballspiel beziehen (privat), geschäftlicher Natur oder gar beides sein.

Der Unternehmer muss mit der ihm nach der Bezahlung ausgehändigten Bewirtungsquittung entscheiden, ob er diese Bewirtung privat oder betrieblich veranlasst sieht.

Entscheidet er sich für eine private Veranlassung, so wird sich diese Bewirtungsquittung nicht in den Geschäftsbüchern des Betriebes wiederfinden.

Sieht er diese Bewirtung als betrieblich veranlasst an, wird er sie unter der Abzugsbeschränkung von 70 Prozent als Betriebsausgaben geltend machen.

Es steht nun im (moralischen) Ermessen des Unternehmers darüber zu entscheiden, ob es sich bei Hummer und Champagner um ein Geschäftsessen handelte, oder ob er den möglicherweise privaten Charakter in den Vordergrund stellt.

Entscheidend für einen Betriebsausgabenabzug sind nur die vom Unternehmer auf der Rückseite des Bewirtungsbeleges namentlich genannten Personen und der Anlass der Bewirtung.

Der Gesetzgeber überlässt es allein dem Unternehmer – im Rahmen der Selbstbestimmung – eigenständig über Wahrheit (Steuerehrlichkeit) und Lüge (Steuerunehrlichkeit) zu entscheiden – also möglicherweise Urkundenfälschung zu betreiben. Ein Dazwischen gibt es im Steuerrecht nicht.

Und hier genau könnte die Möglichkeit liegen, von der die Weisheit sagt: „Gelegenheit macht Diebe!” Kommt also der Gelegenheit – Einfluss auf einen solchen Entscheidungsprozess auszuüben – Bedeutung zu?

Allein die Möglichkeit, darüber zu entscheiden, ob ein Bewirtungsbeleg im Rahmen der Betriebsausgaben geltend gemacht oder doch privat verbucht wird, stellt eine Herausforderung an die eigene Moral und Abschätzung der Entdeckungswahrscheinlichkeit dar.

Trifft der Unternehmer die Entscheidung, die Bewirtungsaufwendungen der Privatsphäre zuzuordnen, könnte man zu dem Schluss kommen, dass er sein Ermessen rechtskonform ausgeübt und den moralischen Grundsätzen als Rechtsadressat Genüge geleistet hat.

Warum sollte ein Unternehmer aber wenn er weiß, dass er seinen Betriebsgewinn dadurch mindern kann – folglich auch weniger Umsatz, Gewerbe- und Einkommensteuer zahlen muss – den Mitnahmeeffekt nicht nutzen?

Die Nürburgring-Pleite:

Die Pleite der Nürburgring GmbH im Juli 2012 in Nürburg (Rheinland-Pfalz). Neben versenkten Millionen an Steuergeldern müssen sich Verantwortliche in einem Strafprozess zu den Vorwürfen äußern, sie hätten sich auf Kosten der Nürburgring GmbH der Veruntreuung schuldig gemacht.

Sechs Männern wird u. a. zur Last gelegt, kostspielige Dienstreisen nach Zürich auf Kosten der landeseigenen Nürburging GmbH veranstaltet zu haben.

Neben Übernachtungskosten von 400 Euro pro Person und Nacht in einem dortigen Grandhotel sollen jeweils zusätzlich 80 Euro für das Frühstück angefallen sein.

Großzügige Mahlzeiten in Sternerestaurants für mehr als 1.600 Euro sollen sie zulasten des nunmehr Pleite gegangenen Unternehmens abgerechnet haben.

Pikant: Neben Zigaretten sollen sie sich zur Stillung des „Nachthungers” Würstchen per Taxi haben liefern lassen – für schlappe 83 Euro. Permanente Aufenthalte in dem exklusiven Spa-Bereich bei ausschweifendem Zigarrenkonsum auf der Terrasse des Hotels sollen als Spesen abgerechnet worden sein.

Dreist: Ihnen wird weiterhin vorgeworfen, auf Kosten der Nürburgring GmbH ein intensives Nachtleben in der Rotlichtszene von Zürich genossen zu haben.

Frech: Anschließende Übernachtungskosten für Damenbesuche im Hotel sollen ebenfalls zulasten des Steuerzahlers gegangen sein.
 

Ein solches Beispiel von privatem Nutzen auf Steuerzahlerkosten – so wird angenommen – ist kein Einzelfall. An die Öffentlichkeit geraten solche Informationen meist nur bei Insolvenzfällen oder durch (anonyme) Anzeigen von Mitarbeitern aus Unternehmen.

Gewährt ein Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer in irgendeiner Form einen Zuschuss zur arbeitstäglichen Verpflegung, gilt dieser Zuschuss grundsätzlich als steuerpflichtiger Arbeitslohn.

Beteiligt sich der Arbeitnehmer an diesen Verpflegungsleistungen, so ist der Essenszuschuss für beide Seiten immerhin schon steuer- und sozialabgabenfrei.

Während also der Volontär des Zeitungsverlages in der Kantine seines Vertrauens die Currywurst in sich reinquetscht, lässt es der Chefredakteur beim Mittagessen in der sizilianischen Mafia-Bude „Corleone” um die Ecke so richtig krachen – natürlich auf Verlagskosten.

Es kann sich schließlich um ein wichtiges Geschäftsessen handeln – als ein solches könnte es anschließend auf dem Bewirtungskostenbeleg deklariert werden.

Wer wirklich der Gast mit an seinem Tisch – und welcher tatsächliche Anlass gegeben war – weiß nur einer: der Chefredakteur. Nur dass, was er später auf den Beleg schreibt, ist „einzig und alleine die reine Wahrheit – und nichts als die Wahrheit.”

Ein denkbares Szenario oder nur Fiktion – ein möglicher Einzelfall? Zeigen diese Beispiele vielleicht die tatsächliche „Vergesellschaftlichung” von Betrugsmöglichkeiten, die in unserem Alltag überall in Deutschland als Selbstverständlichkeit behandelt werden?

Die Zahl der Unternehmen in Deutschland wird im Jahr 2011 auf insgesamt 3,597 Millionen beziffert. Davon zählen 99,7 Prozent zu den klein- und mittelständischen Unternehmen (KMU). In wie viel dieser Unternehmen Bewirtungsaufwendungen – die in Wirklichkeit privater Natur sind – sich in den Büchern wiederfinden, mag offen bleiben.

2.2.2.2 Bewirtungen mit Absicht von Korruption

Ist es auch denkbar, dass eine Bewirtung aus geschäftlichem Anlass weniger dem privaten Interesse (Hunger stillen, Steuern sparen) dient, sondern von anderen Motiven geleitet sein kann: nämlich Korruption?

Geschäftspartner zum Essen einzuladen – insbesondere bei größerem Gelage – kann bei denen möglicherweise Gewissensbisse im Rahmen ihrer Entscheidungsfindung zur Vergabe eines potenziellen Auftrages auslösen. Wer mag da für großes Gelage gerne als undankbar gelten?

„Wer gut schmiert, der gut fährt”, sagt ein Sprichwort. Und dass dieses seine berechtigte Annahme zulässt, zeigt sich immer wieder bei öffentlich bekannt gewordenen Korruptionsvorwürfen und Bestechungsskandalen.

„Sauf- und Fressgelage”, wie der Volksmund es ausdrückt, verfolgen möglicherweise neben steuerlichen und privaten Interessen auch die Absicht, geschäftliche Abläufe zu manipulieren. Diplomatisch ausgedrückt: „Beziehungen zu potenziellen Geschäftspartnern sollen gefestigt werden.”

Die vom Gesetzgeber gewährte Subvention des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 EStG hat ihren Ursprung in Zeiten, in denen u. a. Korruption als geringeres Übel für einen notwendigen Wirtschaftsaufschwung der 1970er Jahre die Gewinne der Unternehmen und Unternehmer mindern durfte.

Unternehmer konnten nahezu alles als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abziehen – auch die Rechnungsbelege einschlägiger Etablissements und Schmiergeldzahlungen an ausländische Auftraggeber.

Insbesondere auf Messen, wo es darauf ankam möglichst große Aufträge aus dem Ausland zu akquirieren, waren oft alle Mittel Recht – bekannt gewordene Fälle hierfür gibt es genug.

Die Freizügigkeit des deutschen Gesetzgebers fand Mitte der 1990er Jahre allerdings ihr Aus. „Offene” Korruption war nicht mehr gesellschaftsfähig – das „Schmieren” von Auftraggebern aus dem In- und Ausland wurde nicht mehr anerkannt.

Als Folge von Harmonisierung und Öffnung der Handelsgrenzen entwickelte sich eine neue Moralvorstellung bei Auftragsvergaben. Insbesondere die 1993 gegründete Transparency-International (TI) hat durch Aufklärungsarbeit zu einem Umdenken im Umgang mit Korruption beigetragen.

Die Abzugsmöglichkeit von Schmiergeldzahlungen – die seinerzeit noch gesellschaftsfähig waren – sind zwar inzwischen aus den Steuergesetzen verschwunden. Geblieben aber sind, neben Geschenken (2.2.3) und Repräsentationen (2.2.4), die Bewirtungen – wenn auch um einen nichtabzugsfähigen Anteil von 30 Prozent gemindert.

Reliquien einer „Unternehmerherrschaft”? Aus bisher nicht erkennbaren Gründen wurde das Gesetz nicht abgeschafft. Will der Gesetzgeber es sich möglicherweise nicht gänzlich mit der freien Wirtschaft verderben? Bewirtungen sind nun einmal gesetzlich legitimiert und das unternehmerische Interesse scheint ungetrübt.

Möglicherweise trübt sich dieser Eindruck, wenn der Gesetzgeber den Verstoß gegen andere Gesetze und politischer Absicht ermöglicht: die Korruption. Die Abzugsfähigkeit von Bewirtungsaufwenden unterliegt – neben der Annahme seiner steuerlichen Gestaltungsmöglichkeit (2.2.2.1) – nämlich auch der Gefahr, ein nicht zu kontrollierendes Korruptionsinstrument zu sein.

Im Gegensatz zum Betrug – wo private Motive durch berufliche ersetzt werden – zeigt sich Korruption zwar im Sinne des Unternehmens oder des Unternehmers – widerläuft aber dem Ziel einer korruptionsfreien Wirtschaft. Wie soll diese aber gewährleistet sein, wenn Steuergesetze zur Korruption einladen?

Einer Bewirtung aus geschäftlichem Anlass eilt zwar nicht unweigerlich eine Korruption voraus. Was bezweckt der Mitarbeiter eines Unternehmens oder der Unternehmer wirklich damit, einen Geschäftspartner zum Essen – auf Kosten des Unternehmens – einzuladen?

Wenn eine unmittelbare Einflussnahme bei einer aufwendigen Bewirtung nicht vorliegen soll: was ist denn nun Anlass der Bewirtung – Betrug oder Korruption?

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